Dienstag, 21. Oktober 2008

Uni-Zwischenfazit

Mittlerweile ist der erste Monat an meiner Gast-Uni rum und ich habe mir überlegt, es ist Zeit für ein Zwischenfazit hinsichtlich den Veranstaltungen an meiner Gasthochschule. Vorweg: Der Unterrichtsstil hier ist ähnlich wie der bei uns. Ich belege drei Module in meinem Bachelor-Studiengang "International Politics". In jedem Modul hat man eine Vorlesung und ein Seminar über jeweils ca. 90 Minuten, meistens direkt hintereinander, zu demselben Thema. Beides wird auch meistens vom selben Dozenten abgehalten. In den Vorlesungen wird der Stoff vom Dozenten vorgetragen, in den Seminaren finden Diskussionen statt. Ein Referat muss ich nur in einem von meinen drei Modulen halten.

Verglichen mit den Vorlesungen und Seminaren in Deutschland herrscht hier ein deutlich niedrigeres Niveau. Das hat mehrere Gründe. Zum einen kommen geschätzte 50 Prozent meiner Kommilitonen entweder direkt aus dem Ausland oder sind Kinder von Einwanderern. Das ist an sich gar nicht so verkehrt, dann man hat die wunderbare Möglichkeit, Kontakte mit Menschen aus aller Herren Länder und Kulturen zu knüpfen (ich kenne mittlerweile Leute aus Sri Lanka, Nigeria, Kenia, Bangladesch, Pakistan, Russland, Moldawien, Portugal, Ukraine, etc.). Andererseits zieht es das Unterrichtsniveau nun einmal nach unten, wenn von diesen 50 Prozent wiederum ein Großteil Probleme hat, Englisch auf akademischem (oder sagen wir: Oberstufen-)Niveau zu beherrschen. Da verbringt man dann einen Teil eines Seminars damit, unbekannte Wörter in Texten zu erklären. Und man fragt sich, ob man mit seiner Zeit nicht sinnvollere Sachen anstellen könnte. Diskussionen dienen selten dazu, den Stoff eines Seminars zu vertiefen, sondern verlaufen schon nach wenigen Minuten in erregten Wortgefechten.

Einen weiteren Grund für das schwache Niveau sehe ich in der Tatsache, dass in England irgendwie jeder an die Uni gehen kann. In England gibt es kein dreigliedriges Schulsystem wie bei uns, jeder schließt die Schule mit den A-Levels ab. Und wer die besteht, kann sich dann für nahezu jeden Kurs an der Uni einschreiben. Meine Theorie: Die wirklich guten Studenten gehen an die wirklich guten Unis (die dann auch wirklich teuer sind), während Hochschulen wie meine, die University of East London (die man in Rankings meistens mit der Lupe suchen muss), den ganzen Rest kriegen. Was mich aber besonders verwundert, ist die Lustlosigkeit und Unmotiviertheit unter diesen Studenten. Denn für ein Jahr an der UEL bezahlt man immer noch 3.200 Pfund (!). Wenn ich jedes Jahr so eine Summe für mein Studium abdrücken müsste, würde ich wahrscheinlich vor lauter selbstgemachtem Druck gar nichts anderes tun als mich nur in den Stoff zu knien. Das ist hier irgendwie anders. Da merkt man erstmal, wie unglaublich priviligiert man in Deutschland ist, ein Studium an einer Universität (in manchen, coolen Bundesländern) nahezu umsonst absolvieren zu dürfen.

Generell scheinen viele Studenten hier Probleme im Umgang mit akademischen Texten zu haben. Häufig driften die Diskussionen in den Seminaren weit von deren Inhalt ab, und man verstrickt sich in Themen, die leider überhaupt nichts mit dem Seminarinhalt zu tun haben. Das nervt. Ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist die Tatsache, dass man als Student hier teilweise wie ein Schüler behandelt wird. Sehr beliebt in den Seminaren sind Gruppendiskussionen, in denen man ein Thema in der Gruppe bespricht und seine Ergebnisse dann den anderen präsentiert. Das ist anders als unsere Seminare, in denen man einer endlosen Reihenfolge von Referaten lauschen muss. Aber irgendwie komme ich mir hier immer wie in der elften Klasse, nicht jedoch wie an einer Universität vor.

Aber es gibt auch Lichtblicke. Es freut mich wirklich, dass man hier Menschen so vieler verschiedener Länder kennen lernen kann. Auch dass viele meiner Kommilitonen Leute zwischen 25 und 40 sind, finde ich gut: Bildung als Weg zum Aufstieg, die man auch in späteren Lebensabschnitten in Anspruch nimmt, ist ein Gedanke, der hier deutlich stärker verbreitet ist.

Und was mir besonders gut gefällt, sind die Dozenten. An der UEL gibt es fast ausschließlich Lecturers, also Professoren, die hauptsächlich für die Lehre zuständig sind. Das soll bei uns ja auch irgendwann eingeführt werden, wogegen sich unsere Professoren wehren, wohl nicht ganz zu Unrecht: Wer 15 oder mehr Stunden in der Woche Studenten unterrichtet (und betreut!), hat kaum noch Zeit für Forschung. Das ist bei meinen Dozenten hier nicht anders. Aber aus Studentensicht hat das einen riesigen Vorteil: Man hat es meistens mit wahren Meistern der Didaktik zu tun. Vorlesungen und Seminare haben eine klare Struktur, die Dozenten kennen sich sehr gut aus, sind bestens vorbereitet und geben verständliche Antworten auf Fragen der Studenten. Und sie können allesamt komplizierte Sachverhalte und Theorien sehr eingängig erklären. Noch nie wurde mir derart verständlich beispielsweise der Neo-Realismus von Kenneth Waltz (Internationale Beziehungen und so...;)) erklärt. Das ist wirklich toll.

Am 13. November muss ich meinen ersten Essay (sprich: Hausarbeit) abgeben. Er soll insgesamt 2.000 Wörter umfassen (etwa 6 DIN-A4-Seiten mit eineinhalbfachem Zeilenabstand). Mal schauen, wie ich da abschneide und ich mit meinen Auslassungen über das Niveau hier nicht vielleicht etwas au die Nase falle...


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich kann Deine Beobachtungen für Hong Kong nur unterstreichen und wiederverwenden